Kryptowährung
Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Die Illusion von Anonymität

Die kanadische Regierung droht mit dem Einfrieren der Konten von Unterstützern der Trucker-Proteste, darunter fallen auch Kryptowährungen.

von Max Stadler

Seit Wochen demonstrieren in Kanada Tausende Menschen gegen Coronamaßnahmen und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und Autos blockieren die Demonstranten Teile der Innenstadt Ottawas. Anlass waren zunächst Impfvorschriften für Lastwagenfahrer, inzwischen richten sich die Proteste aber gegen die gesamten staatlichen Pandemiebeschränkungen. Seit Januar 2022 ist in Kanada eine Verordnung in Kraft, nach der auch Lastwagenfahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen. Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat auf die anhaltenden Proteste gegen seine Coronapolitik reagiert, in dem er am Montag, den 14. Februar, den nationalen Notstand verhängte. Ein im Jahr 1988 verabschiedetes, bis dato noch nie angewandtes Gesetz gibt ihm die Macht, Bürgerrechte zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung außer Kraft zu setzen.

Darunter fällt auch, dass ohne richterlichen Befehl die Konten von Demonstranten eingefroren werden können. Die kanadische Finanzministerin machte keinen Hehl daraus, dass man beabsichtige, die Crowdfunding-Plattformen besser zu regulieren und Transaktionen mit Kryptowährungen einzuschränken. Obendrein sprach sich die Regierung das Recht zu, die Konten aller mit den Blockaden in Verbindung gebrachten Personen einfrieren zu können (1). Ein Entgegenkommen der Regierung — Linderung der Maßnahmen, Verzicht auf Impfnachweis — ist nicht abzusehen.

Hellhörig macht in diesem Zusammenhang vor allem der Verweis auf die Einschränkung von Transaktionen mit Kryptowährungen. Erscheint dies doch vielen Regierungskritikern auch in Europa als einziger Ausweg. Hier und jetzt zeigt sich, dass dies zumindest in Teilen ein Trugschluss ist.

Kryptowährungen sind nur bedingt dezentral und anonym, die Börsen, an denen sie gehandelt werden, oftmals noch viel weniger. Ganz gleich, ob Binance, Coinbase, FTX oder Kraken, um nur einige der gängigen Krypto-Börsen zu nennen, bei allen ist ein sogenanntes KYC (Know your customer; deutsch: Kenne deinen Kunden) nötig. Im Rahmen dieser Legitimitätsprüfung muss sich der Nutzer ausweisen. Erst dann ist es möglich, auf der jeweiligen Plattform mit Kryptowährungen zu handeln. Entsprechend ist dann natürlich auch die damit verbundene Wallet nicht mehr anonym, sondern mit dem angeschlossenen Nutzerkonto identifizierbar.

Da auf den Blockchains die Transaktionsdaten einsehbar sind und die Adressen gelistet werden, ist eine Rückverfolgung zum Absender in den meisten Fällen durchführbar.

Umso wichtiger erscheinen in diesen Zeiten somit wahrhaft dezentrale Lösungen für das Krypto-Universum. Es gibt erste Ansätze — die Plattform Sovryn gehört dazu —, doch inwiefern sich dies in den kommenden Jahren realisieren wird, steht in den Sternen. Dazu kommt, dass Schwindler und Betrüger die Sehnsucht der Menschen nach Anonymität und Unabhängigkeit schamlos ausnutzen.

Die Betrugsfälle in der Kryptowelt erreichten im vergangenen Jahr einen neuen Höhepunkt. Schlagwörter wie „Anonymität“, „Unabhängigkeit“ und „dezentral“ fallen hier häufig, sind jedoch zumeist nur eine Fassade. Es ist noch viel Aufwand, Überzeugung, Aufrichtigkeit und Programmierkunst nötig, bis Kryptowährungen eine nachhaltige Stütze von Widerstandsbewegungen darstellen können.

Einstweilen gilt, dass auch Kryptowährungen keinen sicheren Schutz vor dem Zugriff autoritärer Regime bieten.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.cicero.de/aussenpolitik/corona-proteste-in-kanada-justin-trudeau-und-das-notstandsgesetz


Dieser Artikel erschien auf Rubikon am 18.02.2022 und ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.


[T.S.] Ergänzung vom 19.02.2022:

Kryptowährungsplattformen sind ebenfalls von den Anordnung betroffen, und einige, darunter das in Toronto ansässige BitBuy, sagen, dass sie bereits Hinweise zu Kryptowährungsadressen von den Strafverfolgungsbehörden erhalten haben.

‚Wir werden unsere eigenen Untersuchungen und Überwachungen als Teil unseres Compliance-Programms durchführen und gemäß den Anforderungen der Notstandsverordnung und der FINTRAC [Financial Transactions and Reports Analysis Centre of Canada ]-Anforderungen Bericht erstatten‘, sagte Torstein Braaten, Chief Compliance Officer von BitBuy, in einer Erklärung.“


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Von Thomas Schulze

Mit den Beiträgen will ich helfen, anhand ausgewählter Beiträge besser zu verstehen, "was die Welt im Innersten zusammenhält"

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