Ausverkauf der Ukraine

Hilft der Ukraine der Ausverkauf ihres verbliebenen Vermögens, um den Krieg länger durchzuhalten oder gar zu gewinnen?

Ausverkauf der Ukraine – kein Weg zu Frieden, Freiheit und Wohlstand

Günter Verheugen, Petra Erler: Der lange Weg zum KriegWelche Chancen hat die Ukraine, mit dem Ausverkauf ihres Vermögens das Land zu retten? Welche Chancen rechnen sich die Käufer aus? Wie partnerschaftlich sind gar Staaten wie die USA, UK und EU-Länder, wenn sie sich als „Sicherheiten“ für die Unterstützung der Ukraine gegen Russland Grund und Boden, Bodenschätze und Industrieunternehmen sichern?

Der investigative Journalist Kit Klarenberg hat dazu auf seinem Blog am 14. 07.2025 einen Beitrag veröffentlicht: Steht die Aufteilung der Ukraine vor dem Kollaps?“. Darin analysiert er ökonomische und geopolitische Widersprüche dieses Prozesses.

Grundlagen der Analyse

Anlass für Klarenbergs Artikel ist die sogenannte „Geberkonferenz“ der EU am 10. und 11. Juli 2025 in Rom. Auf dieser Konferenz sollte ein Ukraine-Aufbaufonds beschlossen werden.

„Der Entwicklungsfonds für die Ukraine von BlackRock ist seit Mai 2023 in Arbeit. Ursprünglich war er als eine der ehrgeizigsten öffentlich-privaten Finanzkooperationen der Geschichte geplant, die mit dem Marshall-Plan Washingtons konkurrieren sollte, mit dem Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut – und hoch verschuldet – wurde. Angesichts der versprochenen enormen Renditen waren die Investoren anfangs Berichten zufolge ‚bereit, Gelder in das Projekt zu stecken‘, da man davon ausging, dass Kiews vielgepriesene ‚Gegenoffensive‘ später im Jahr ‚den Krieg schnell beenden könnte‘.“

Klarenberg untersucht die aktuellen Pläne westlicher privater Akteure, ukrainische Staatsassets zu privatisieren, um Kriegsschulden zu begleichen. (Unabhängig davon will die EU im Rahmen ihres mehrjährigen Finanzrahmens 2028 bis 2034 die Ukraine mit 100 Milliarden Euro unterstützen, obwohl sie kaum über Eigenmittel verfügt.)

Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern Folge der immanenten Widersprüche des spät-imperialistischen Kapitalismus. Für die entwickelten NATO-Staaten geht es nicht um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine. Vielmehr ist das Land nur ein Stellvertreter für die geopolitische Neuordnung. Dieser Prozess setzte bereits mit der neoliberalen Restrukturierung nach 1991 ein und spitzt sich nun im Krieg radikal zu.

Ökonomische Determinanten: Die Ukraine als koloniales Ausbeutungsobjekt

Klarenberg zeigt auf, wie die Ukraine durch die Bedingungen des Westens in eine Schuldenfalle getrieben wird, die zwangsläufig zu Privatisierungen führen muss. Dies entspricht der klassischen „ursprünglichen Akkumulation“:

„Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er erscheint als ‚ursprünglich‘, weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm entsprechenden Produktionsweise bildet.“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, 742)

Der US-amerikanisch-britische Humangeograph David Harvey beschreibt den Prozess als „Akkumulation durch Enteignung“. Die Dialektik liegt darin, dass gerade die westliche „Hilfe“ die Ukraine in eine noch tiefere Abhängigkeit stürzt, während gleichzeitig ukrainische Oligarchen und ausländisches Kapital profitieren.

Geopolitische Widersprüche: Interimperialistische Konkurrenz

Der Artikel verweist implizit auf den Konflikt zwischen US-EU-Interessen und russischen Einflusssphären. Klarenberg sieht den Ukraine-Krieg nicht bloß als „Kampf der Kulturen“ zwischen der westlich orientierten Ukraine und dem orthodoxen Russland. Vielmehr sei der Krieg Ausdruck der Krisentendenzen des globalen Kapitalismus, der durch Expansion und Ressourcenkontrolle seine Profitraten stabilisiert. Klarenbergs These, dass die Privatisierungspläne scheitern könnten, deutet auf eine weitere Zuspitzung hin: Sollte die ukrainische Wirtschaft vollständig kollabieren, würde dies nicht nur die Legitimität des Kiewer Regimes untergraben, sondern auch die westliche Hegemonie in der Region destabilisieren.

Wer profitiert, wer verliert?

Thomas Röper: Das Ukraine KartellEine Schwäche des Artikels ist die unzureichende Analyse der innergesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Die Bevölkerung der Ukraine, insbesondere die ukrainische Arbeiterklasse, wird wie in den 1990er Jahren in Russland und anderen osteuropäischen Staaten erneut zum Opfer einer „Schocktherapie“-Politik. Transnationale Konzerne und lokale Eliten bereichern durch Aneignung fremden Eigentums. Welche Rolle dafür zuvor den ukrainischen Oligarchen zukommt und wie die internationalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank) dabei mitspielten, bleibt leider unscharf.

Fazit: Historische Tendenz und revolutionäre Perspektive

Klarenberg resümiert:

„Die Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine verlief ohne großes Medieninteresse, obwohl für Zelensky buchstäblich der rote Teppich ausgerollt wurde und mehrere hochrangige EU-Beamte – darunter Ursula von der Leyen – und europäische Staatsoberhäupter anwesend waren. Die Veranstaltung endete mit der vagen Zusage, 10 Milliarden Euro an Investitionen des Privatsektors für die Ukraine zu mobilisieren. Offensichtlich hat der Westen seine Ambitionen, aus Kiew ein Vermögen zu machen, noch nicht ganz aufgegeben – auch wenn die Weltbank die Gesamtkosten für den Wiederaufbau des Landes auf 524 Milliarden Dollar kalkuliert.

 

In einer Rede versprach von der Leyen, die Ukraine ‚militärisch, finanziell und politisch‘ zu unterstützen, ’so lange es nötig ist‘. In der Zwischenzeit gibt es kaum Anzeichen dafür, dass Großbritannien es aufgegeben hat, Kiew für den Neoliberalismus und seinen eigenen Profit sicher zu machen, trotz Londons heimlicher Verpflichtung, ‚die Ukraine um jeden Preis im Kampf zu halten‘. Je länger der verlorene Stellvertreterkrieg andauert, desto weniger Ukraine wird es geben, die wiederaufgebaut werden kann und von der man profitieren kann. Aber offenbar ist diese eindeutige Realität den Sponsoren des Stellvertreterkriegs entgangen. Gott helfe uns allen.“

Klarenberg liefert eine wichtige Momentaufnahme der aktuellen Krisendynamik. Eine tiefergehende Analyse der Tendenzen ist nicht Gegenstand des Beitrags.

 

Dossier zur Ukraine


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Von Thomas Schulze

Mit den Beiträgen will ich helfen, anhand ausgewählter Beiträge besser zu verstehen, "was die Welt im Innersten zusammenhält"

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