Zum Anleihekauf der Notenbanken entschied das Bundesverfassungsgericht gegen den Europäischen Gerichtshof. Die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ erörtert die möglichen Folgen.
Anleihekauf – Stopp vom Bundesverfassungsgericht?
Der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) billigte im Jahr 2018 Anleihekäufe der Notenbank in Höhe von insgesamt 2,7 Billionen Euro seit 2015. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied nunmehr dagegen. Normalerweise sind die nationale Gerichte an Entscheidungen des EuGH gebunden. Das ergibt sich aus den EU-Verträgen.
Die deutschen Richter gehen jedoch davon aus, dass die obersten EU-Richter ihre Befugnisse im EZB-Urteil von 2018 gravierend überschritten hätten. Deshalb könne das BVerfG davon abweichend urteilen.
Solch eine Kampfansage hat die EU noch nie erlebt. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, selbst nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt bei Rechtsverstößen, polterte am Sonntag gegen das Urteil: „Das letzte Wort zu EU-Recht wird immer in Luxemburg gesprochen. Nirgendwo sonst.“
Wie müsste die EU jetzt normalerweise reagieren?
Die EU-Kommission soll überwachen, ob die Mitgliedstaaten EU-Recht einhalten. Stellt sie fest, dass ein Mitgliedstaat EU-Recht verletzt, muss sie handeln. Das bedeute, sie informiert zunächst das Land über dessen mutmaßliche Verstöße und versucht, eine Lösung auszuhandeln. Wenn auf diesem Weg keine Lösung erreicht wird, reicht die Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof ein.
Die Anmahnung aus Brüssel löst nicht automatisch ein gerichtliches Vertragsverletzungsverfahren. Sie kann und soll jedoch abschrecken. Denn wenn die EU eine mögliche Vertragsverletzung ignoriert, kann das einen Dominoeffekt auslösen.
Nun sind Vertragsverletzungsverfahren gar nicht so selten. In der Regel vereinbaren beide Seiten einen Kompromis. Es erscheint jedoch als unwahrscheinlich, dass das BVerfG seine Entscheidung aufhebt oder revidiert, selbst wenn der EuGH Deutschland verurteilt. Ob der EuGH Deutschland verurteilt, ist jedoch im Falle eines Verfahrens auch nicht sicher, denn es könnten zumindest teilweise andere Richter entscheiden als im Dezember 2018.
Kommt es nun zu einer institutionelle Krise in der EU? Das wird auch in der Bundesrepublik von einigen befürchtet. Denn wenn zugelassen werde, dass Zweifel an der Autorität des EuGH aufkommen, könnte dies letztlich das Überleben des Euro gefährden, warnte der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der an diversen Rettungsaktionen in Europa mitgewirkt hat.