Die Militarisierung ist für die NATO- und EU-Politiker „alternativlos“. Weder Kosten noch Mühe werden für den Krieg mit Russland gescheut.
Militarisierung – gesellschaftlicher Selbsterhaltungstrieb
Im Jahr 1907 schrieb der Sozialdemokrat Karl Liebknecht in „Militarismus und Antimilitarismus“ zum Wesen und zur Bedeutung des Militarismus:
„Der Militarismus ist eine der wichtigsten und energischsten Lebensäußerungen der meisten Gesellschaftsordnungen, weil in ihm der nationale, kulturelle und klassenmäßige Selbsterhaltungstrieb, dieser elementarste aller Triebe, am stärksten, konzentriertesten, ausschließlichsten zum Ausdruck kommt.“
Militarisierung heißt jetzt „ReArm“
Wie zur Bestätigung dieses „Selbsterhaltungstriebs“ schlug Anfang März 2025 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den EU-Staats- und Regierungschefs einen Plan zur Aufrüstung Europas, „ReArm Europe“, vor.
Aus der „Presseerklärung“ der EU-Präsidentin von der Leyen zum Verteidigungspaket geht hervor, dass es nicht mehr nötig ist, darüber zu streiten, ob „Europa“ (d. h. Westeuropa) bedroht ist.
„Wie ernsthaft die Bedrohungen sind, denen wir gegenüberstehen, muss ich nicht erst erörtern. – Oder wie verheerend die Folgen wären, die wir ertragen müssten, wenn diese Bedrohungen Wirklichkeit würden. Denn es stellt sich nicht mehr die Frage, ob die Sicherheit Europas tatsächlich bedroht ist, oder ob Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen sollte.“
Denn dass dem so ist, sei schon lange klar. Jetzt ginge es nur noch um die Fragen,
„ob Europa bereit ist, so entschlossen zu handeln, wie es die Situation erfordert, und ob Europa bereit und in der Lage ist, so rasch und so ambitioniert zu handeln, wie erforderlich ist.“
Im EU-„Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung“ vom 12. März 2025 wird unterstützend festgestellt,
„dass Russland mit Unterstützung seiner Verbündeten, darunter Belarus, China, Nordkorea und Iran, die größte direkte und indirekte Bedrohung für die EU und ihre Sicherheit sowie für Bewerberländer und Partner der EU darstellt“.
Russische Sicht auf die NATO-/EU-Aufrüstungspläne
Das russische Fernsehen hat auf der Grundlage eines Berichts von Roskongress mit dem Titel „Die Militarisierung Europas“ die entscheidenden Punkte des NATO-/EU-Afrüstungsplans zusammengefasst.
„Europa hat den Weg der globalen Militarisierung und des Wettrüstens gewählt“
Aus russischer Sicht wächst unter den derzeitigen europäischen Staats- und Regierungschefs die Befürchtung, dass sich ihre Wege mit Amerika möglicherweise irgendwann trennen. Gleichzeitig halten sie den Mythos der russischen Bedrohung zunehmend für Realität. Aus beidem folge das Recht und die Pflicht, Europa auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten.
In dem Bericht von Roskongress werden umfassend und detailliert aktuelle Fakten zusammengetragen, wie zielgerichtet die materielle Basis für einen Krieg mit Russland geschaffen wird.
Bereits bestehende und neue Rüstungsfabriken betreiben eine „Re-Konversion“, um zivile Produktionsanlagen für militärische Zwecke zu nutzen. (In den 1990er Jahren wurden im Rahmen der Konversion militärische und Rüstungsanlagen für zivile Zwecke umgewandelt.)
Beschleunigtes Wachstum und Erweiterung der Kapazitäten haben für die EU absolute Priorität. Dafür sind die meisten EU-Staaten bereit, auch Kredite in Höhe von Hunderten von Milliarden Euro aufzunehmen.

Im Roskongress-Bericht heißt es zur Militärtechnik:
„Der Schwerpunkt liegt auf der Ausweitung der Produktion von Schützenpanzern in Schweden und Ungarn, der Herstellung von K2PL-Panzern unter südkoreanischer Lizenz in Polen, der Wiederbelebung der Produktion von 155-mm-Haubitzen vom Typ M777 in Tschechien, der Produktion von Mehrfachraketenwerfern in Spanien sowie der Lokalisierung der Montage von Schützenpanzern in Lettland und Estland sowie von Leopard-Panzern in Norwegen.“
Bis Ende 2026 sollen in der EU mehr als 2,5 Millionen Hülsen produziert werden. Mehr als vom amerikanischen militärisch-industriellen Komplex. In zwei Jahren soll auch der Sprengstoff verfügbar sein, um die Hülsen zu füllen. Neue Werke dafür werden in Norwegen, Finnland, Dänemark, Estland, Litauen, Rumänien, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien errichtet.
Zur Produktion von Raketen und Radaren heißt es im Bericht:
„Die Hauptinvestition im Bereich Raketenwaffen erfolgt durch den führenden europäischen Entwickler und Hersteller von Raketensystemen MBDA. Alle Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien werden in unterschiedlichem Umfang erweitert und modernisiert. Ihre Produktionsfläche beträgt derzeit schätzungsweise 48.000 Quadratmeter, wobei der Großteil davon eine Fabrik für Mikroelektronik ist. Auch der norwegische Raketenhersteller Kongsberg und der deutsche Hersteller von Flugabwehrsystemen Diehl Defence erweitern ihre Kapazitäten. Gleichzeitig eröffnet der schwedische Rüstungskonzern Saab einen neuen Komplex zur Produktion von Radaren.“
In Kongsberg, Norwegen, wurde im Juni eine neue Fabrik für Raketen eröffnet. In Schrobenhausen wird das MBDA-Werk erweitert, in dem Teile von Marschflugkörpern und Flugabwehrraketen hergestellt werden. Dafür sei ein 4,5 Hektar großes Grundstück planiert worden. Auch die Produktion von Raketen für Patriot-Systeme wird dort verdoppelt.

In Röthenbach wird die Kapazität für Flugabwehrraketenherstellung von Diehl Defence erweitert. Ebenso wird die Produktion von IRIS-T-Luftabwehrsystemen um ein Vielfaches gesteigert.
Auch in Frankreich werden mehrere Rüstungsfabriken erweitert und modernisiert. MBDA produziert in Celles-Saint-Denis Raketen, in Bourges Verbundstrukturen und verdoppelt seine Produktionskapazität am Standort Bolton, Großbritannien. Eine zweite Linie für die Montage von CAMM-ER-Luftabwehrraketen mit erhöhter Reichweite entsteht in Italien.
Der schwedische Rüstungskonzern Saab eröffnet im britischen Fareham, Hampshire, eine neue Produktion von Giraff 1X-Mehrzweckradaren.

Weil aus Sicht der westeuropäischen NATO-Staaten die USA zu einem unsicheren Partner werden, ziehen sie den Schluss, dass sie selbst beschleunigt die europäische Sicherheit gewährleisten müssen:
„Die EU-Kommission beginnt die Rüstungsausgaben zunehmend als dringend anzusehen, was die Bereitstellung langfristiger Aufträge für lokale Rüstungshersteller garantiert.“
„Das Vertrauen in die langfristige Erhöhung des Militärbudgets wird zum Ausbau der Kapazitäten europäischer Hersteller von Kampfflugzeugen, Heeresflugzeugen, Panzern und Kriegsschiffen beitragen. Dadurch wird die Abhängigkeit von Lieferungen, vor allem aus den USA, allmählich abnehmen.“
Doch nicht nur in den Bau und die Erweiterung von Fabriken, die Produktion von Ausrüstung und Munition werden gewaltige Summen investiert. Lager, die für „Spenden“ an die Ukraine geleehrt wurden, werden aufgefüllt und Reserven angelegt. Die Infrastruktur – Straßen, Brücken, Lagerhallen – bis hin zur Weltraumkommunikation sollen kriegstauglich aufbereitet werden.
In Russland wächst die Überzeugung, dass die NATO ernsthaft gegen Russland kämpfen will – und das in einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren. So lange muss die Ukraine um jeden Preis durchhalten.
Nach den Worten des französischen Verteidigungsministers Sébastien Lecornu wäre die Entmilitarisierung der Ukraine eine „absolut rote Linie“, also kategorisch inakzeptabel.
Damit die materielle Vorbereitung für einen Krieg mit Russland wirklich greift, muss das Gefühl der Unvermeidlichkeit eines Krieges zwischen Europa und Russland eskaliert werden.
Für Europa sei laut russischem Fernsehen eine bereits bekannte Übung.
„Von der Invasion der Polen zu Beginn des 17. und der Schweden zu Beginn des 18. Jahrhunderts über Napoleon zu Beginn des 19. bis hin zu Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das bedeutet, dass sie diese Übung im Durchschnitt alle hundert Jahre wiederholen. Mit immer demselben Ergebnis.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts endete das für Deutschland mit dem Zusammenbruch des Reiches, das als Zweites Reich bezeichnet wurde. Unter Hitler erholte sich das Land schneller und vergaß schneller. Sein Drittes Reich wandte sich erneut nach Osten. Das Ergebnis ist bekannt.
Jetzt rüstet Bundeskanzler Fritz Merz, äußerlich schmerzlich ähnlich mit den animierten Karikaturen seiner Vorgänger auf Feldzügen in unsere Richtung, das Vierte Reich auf. Bisher galt dieser Satz als Verschwörungstheorie. Findet sich wirklich jemand, der bereit ist, die militärischen Erfahrungen des Führers zu wiederholen?“
Der Kommentator hebt vor allem hervor, dass Bundeskanzler Merz in einer Rede gesagt hat, die Diplomatie könne weg!
„Wörtlich klang das so: ‚Und ich will es Ihnen noch etwas deutlicher sagen: Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft. Russland stellt das Existenzrecht eines ganzen Landes mit militärischer Gewalt offen in Frage und will die politische Freiheit des gesamten europäischen Kontinents zerstören. Die Regierung, die ich führe, wird alles tun, um genau dies zu verhindern.'“
Demgegenüber bestreitet in Moskau niemand das Existenzrecht eines Landes wie der Ukraine – allerdings gäbe es kein Existenzrecht für das Nazi-Bandera-Regime, dass das Existenzrecht für das russische Volk tilgen will.
„So äußerte sich beispielsweise Alexander Turtschynow, der nach dem blutigen nationalistischen Staatsstreich von 2014 zum ersten ukrainischen Staatsoberhaupt wurde. Übrigens war es Turtschynow, der mit dieser Ideologie Truppen für die Strafoperation in den russischen Donbass schickte. 2014 sagte er in Kampfmontur: ‚Wir sind bereit, die Russenschweine zu vernichten, wo immer es möglich ist. Wir müssen sie nicht nur in der Ukraine, sondern auch jenseits ihrer Grenzen, in Russland, schlagen.‘
Um auf Bundeskanzler Merz zurückzukommen, so handelt Russland nicht in dieser Richtung und denkt nicht einmal daran, ‚die politische Freiheit des gesamten europäischen Kontinents zu zerstören‘. Das ist eine Tatsache. Wenn Merz die ‚politische Freiheit‘ Deutschlands als das Recht auf Unterstützung des Nazi-Regimes in der Ukraine versteht, dann erinnert all das an die Klagen des Dritten Reiches über den Mangel an Lebensraum.
Nur eine Generation ist seit seinem Nazi-Großvater vergangen, und nun bekennt sich Fritz Merz feierlich dazu, ‚die politische Freiheit des gesamten Kontinents‘ durch den Sieg über Russland in einem Krieg zu garantieren. Bei der Geberkonferenz für die Ukraine in Italien sagte er: ‚Ich habe zwei Botschaften. Eine richtet sich an Moskau und Präsident Putin. Die Botschaft ist ganz einfach: Wir werden nicht aufgeben. Und, liebe Freunde, meine zweite Botschaft richtet sich an Washington und Präsident Donald Trump: Bleiben Sie an unserer Seite und an der Seite der Europäer. Wir stehen auf derselben Seite und streben nach einer stabilen politischen Ordnung in dieser Welt.’“
Wenn, wie Merz sagt, Deutschland erneut die militärische Führung in Europa übernimmt, ob Macron das gefällt oder nicht, dann wird Deutschland zum Vierten Reich.
Der EU-Kommissar für Verteidigung und Weltraum, der Litauer Andrius Kubilius, habe dagegen echte Angst und fragte ganz offen:
„Wir müssen uns bewusst sein, dass wir im Falle einer russischen Aggression am D-Day einer mächtigen, erfahrenen russischen Armee gegenüberstehen werden, die in der Lage ist, Millionen tödlicher Drohnen gegen uns einzusetzen, sie ist viel stärker als 2022. Wir müssen auch erkennen, dass keine NATO-Armee über vergleichbare Kampferfahrung verfügt. Gleichzeitig konzentrieren sich die USA zunehmend auf den Indopazifik. Sind wir unter diesen Bedingungen auf einen neuen russischen Angriff vorbereitet? Ich habe keine klare Antwort.“
Solange der militärisch-industrielle Komplex Europas für einen direkten Konflikt mit Russland noch nicht ausreichend entwickelt ist, muss sich die Ukraine, so Kubilius, in den Weg stellen:
„Wir brauchen eine eigene Strategie zur Friedenssicherung in der Ukraine. Ein gerechter Frieden in der Ukraine kann nur durch eine Stärkung der Ukraine erreicht werden.“
Kubilius spricht zwar vom Frieden in der Ukraine, der aber nur wieder eine Verzögerungstaktik für die Kriegsvorbereitung ist.
„Die materielle Bereitschaft setzt eine starke Steigerung der Produktion und des Kaufs neuer Waffen auf dem europäischen Kontinent voraus. Dazu müssen wir die europäischen Finanzmittel erhöhen. Wir tun bereits viel im Bereich der materiellen Verteidigungsbereitschaft. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der getroffenen Entscheidungen sind beeindruckend.“
Der EU-Verteidigungskommissar Kubilius fordert die Schaffung eines rein europäischen anti-russischen Militärblocks. Das ist sein ganzes Thema. Die EU-Chefdiplomatin, die Estin Kaja Kallas, hat die Diplomatie innerhalb Europas selbst zerstört, und außerhalb interessiert sich niemand für die kleine Kallas.
Im russischen Fernsehen wird in diesem Zusammenhang ebenfalls daran erinnert, dass früher in der EU-Kommission von 2004 bis 2014 ein anderer EU-Kommissar aus dem Baltikum arbeitete, der Lette Andris Piebalgs, der Europa buchstäblich ruiniert hat. Schließlich war es dieser, der darauf bestand, die langfristigen Gasverträge mit Russland aufzugeben und Gas auf dem freien Markt, an der Börse, zu handeln. Seitdem sind die Gaspreise in Europa exponentiell gestiegen und die Wirtschaft der EU ist geschrumpft. Der Beitrag der baltischen Staaten zum Schicksal der EU ist also unverhältnismäßig und schädlich.
Für Russland stelle sich die Frage: Was sollen wir tun, wenn Europa verrückt spielt und einen Krieg mit uns direkt auf die Tagesordnung setzt und ernsthafte Vorbereitungen trifft und als sogar Termin sogar das Ende des laufenden Jahrzehnts nennt?
Präsident Putin bleibe gelassen. Russland wird asymmetrisch und mit Hochtechnologie reagieren. Auf einer ganz anderen Ebene, wie er im Juni erklärte:
„Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen werden wir weiterhin angemessene Maßnahmen ergreifen, um Russlands Sicherheit zu stärken. Besonderes Augenmerk werden wir auf unsere nukleare Triade legen. Die Serienproduktion des neuesten Mittelstreckenraketensystems Oreschnik, das sich im Kampf bewährt hat, wurde gestartet.“
Was die europäischen Ängste vor der „russischen Aggressivität“ angeht, sprach Putin im Juni zu Recht über deren Fehlinterpretation:
„Die reden die ganze Zeit davon, dass wir Probleme hätten und dass sie Russland bald eine strategische Niederlage zufügen. Gleichzeitig behaupten sie, wir hätten vor, NATO-Staaten anzugreifen. Wo ist da die Logik? Sie reden Unsinn, sie selbst glauben das sicher nicht, aber sie versuchen, ihre Bevölkerung davon zu überzeugen, um den Menschen mehr Geld aus der Tasche zu ziehen, damit sie bereit sind, die hohen Verluste im sozialen Bereich zu tragen. Übrigens, wofür geben wir diese Billionen größtenteils aus? Für den Erhalt unseres militärisch-industriellen Komplexes, für uns selbst. Und wofür geben sie ihre fünf Prozent aus? Für den Kauf von US-Produkten und die Unterstützung von deren militärisch-industriellem Komplex. Doch nun das Wichtigste: Wir planen, die Verteidigungsausgaben zu kürzen, aber Europa denkt darüber nach, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wer bereitet sich also auf aggressive Aktionen vor, wir oder sie? Ja, wir wollen die Militäroperation mit dem gewünschten Ergebnis abschließen. Natürlich. Genau darauf setzen wir, aber nicht auf aggressive Pläne gegenüber Europa und den NATO-Staaten. Wer verhält sich also aggressiv?“
Der Westen sei schon immer dem Prinzip gefolgt, seine eigene Sicherheit auf Kosten anderer zu gewährleisten. Das ist nichts Neues. Jetzt habe er erkannt, dass es, wenn er weiterhin daran festhält, nicht ohne Krieg mit Russland gehen wird. Gleiche Sicherheit passe dem Westen nicht. Sie sei für ihn eine Bedrohung.
Siehe auch:
NATO und EU – Rüstung soll Frieden sichern
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