Wie beeinflussen Zölle und Sanktionen die nationale Volkswirtschaft? Eine brennend aktuelle Frage – Betrachtung von Ryan Dudley.
Zölle und Sanktionen sollen die Wirtschaft retten?
Das scheint zumindest der Ansatz von US-Präsident Trump zu sein. Dabei ist es zunächst unbedeutend, ob er es ernsthaft langfristig meint oder nur als kurzfristiges Druckmittel, um einen „Deal“ auszuhandeln. Denn politisch kann man heute das und morgen das Gegenteil verkünden und beschließen. Wirtschaft braucht jedoch zur Ressourcenmobilisierung überwiegend längere Zeiträume.
Ryan L. Dudley verdeutlicht das in nachfolgendem Beitrag.
Beginn der Übersetzung:
SANKTIONEN UND ZÖLLE
VON RYAN L. DUDLEY, 5. April 2025
Die neuen Zölle der Trump-Regierung haben enorme Reaktionen und zahlreiche, überwiegend negative Kommentare hervorgerufen. Werfen wir einen Blick auf die Zölle und Sanktionen und vergleichen sie:
Zölle dienen dazu, Importe aus dem Ausland zu verhindern und die Importsubstitution durch inländische Produktion zu fördern.
Sanktionen sollen Importe aus dem Ausland verhindern und die Importsubstitution durch inländische Produktion fördern.
Die Auswirkungen von Zöllen und Sanktionen scheinen gewisse Ähnlichkeiten aufzuweisen und man könnte die beiden Programme als unterschiedliche Wege betrachten, die letztlich praktisch zum selben Ergebnis führen.
Die USA verhängten extrem harte Sanktionen gegen Russland, die sich jedoch als kontraproduktiv erwiesen: Die russische Wirtschaft wuchs schneller als die der USA, da Russland erfolgreich ein umfangreiches Importsubstitutionsprogramm durchführte. Die Russen dankten den USA (frech) für die Verhängung der Sanktionen. Die Sanktionen ermöglichten es Russland, bürokratische Hürden und Eigeninteressen zu überwinden, um schnell zu handeln und umfassende Veränderungen zu organisieren. Darüber hinaus übertrifft Russland die gesamte NATO bei der Waffen- und Munitionsproduktion und ist auch bei Hyperschallflugzeugen und -raketen führend.
Die USA sind im wirtschaftlichen Rennen zurückgefallen und weisen verlangsamtes Wachstum, Deindustrialisierung, wachsende Haushaltsdefizite und eine zu hohe Staatsverschuldung auf. Zudem fehlen den USA Fabriken zur Produktion militärischer und ziviler Güter, und sie haben Schwierigkeiten, moderne, einsatzfähige Waffen einzusetzen. Unglücklicherweise für die USA lehnte das einzige Land (China), das die Möglichkeit gehabt hätte, wirksame Sanktionen gegen die USA zu verhängen, diese aus eigenen Gründen ab. Daher mussten die USA auf Sanktionen gegen sich selbst zurückgreifen. Die von Trump eingeführten Zölle sind lediglich Sanktionen gegen Importe und sollen die Importsubstitution fördern. Man könnte Zölle auch als „Selbstsanktionen“ bezeichnen. Die USA wollen aus PR-Gründen diese Verbindung nicht herstellen, da sie nicht zugeben wollen, das russische Wirtschaftswachstum gefördert zu haben. Die USA und die übrigen NATO-Mitglieder können nicht öffentlich zugeben, dass das gesamte Sanktionsprogramm eine kolossale Verschwendung von Mühe war und lediglich dazu diente, Russland stärker und unabhängiger von der internationalen regelbasierten Ordnung zu machen. Die USA versuchen, ihr Gesicht zu wahren, indem sie mit weiteren Sanktionen gegen Russland drohen, auch wenn sie sich dadurch bei Diplomaten und Analysten weltweit zum Gespött machen.
Die Russen sind sich all dieser Hintergründe bewusst und haben sich sogar öffentlich dazu geäußert. Zum Beispiel:
Zitat:
Kirill Dmitriev, CEO des russischen Direktinvestitionsfonds und Sondergesandter Putins, der diese Woche zu einem Treffen mit hochrangigen US-Beamten nach Washington geschickt wurde, sagte, seine zweitägigen Treffen seien gut verlaufen und es seien positive Schritte unternommen worden …
Dmitriev war während der Einführung der Zölle am „Tag der Befreiung“ in den USA und lobte eine Politik, die „eine wachsende Hinwendung zu wirtschaftlicher Souveränität und nationalem Interesse“ widerspiegele.
Präsident Trumps Zollstrategie spiegelt eine zunehmende Hinwendung zu wirtschaftlicher Souveränität und nationalen Interessen wider. Indem die USA der heimischen Industrie Priorität einräumen und strukturelle Handelsungleichgewichte korrigieren, schaffen sie einen Präzedenzfall für eigenständiges Wachstum und nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen. https://t.co/sXp7mVMCUU
— Kirill A. Dmitriev (@kadmitriev) 3. April 2025
Zitat Ende
Der Analyst Tarik Cyril Amar, ein Historiker aus Deutschland, bemerkte in den russischen Medien:
Zitat:
Und da haben wir es. Jahre bevor Trump 2.0 seinen neuen Zollfeldzug startete, der jetzt alle in Angst und Schrecken versetzt, hat eines der wichtigsten Länder der Welt [Russland] bewiesen, dass selbst einem viel schlimmeren Wirtschaftskrieg standgehalten werden kann. Es kann sogar, um es noch einmal mit Putins Worten zu sagen, zu einem „Katalysator positiver Strukturveränderungen“ in einer „Wirtschaft werden, einschließlich im Finanz- und Technologiebereich [sowie] in vielen anderen Schlüsselbereichen“.
Mit anderen Worten: Trumps jüngster Angriff auf die Welt ist zutiefst ironisch. Zwar strebt der amerikanische Präsident im Wesentlichen den Wiederaufbau der amerikanischen Realwirtschaft – der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes – an, doch seine rüden „Ruiniere-deinen-Nachbarn“-Methoden dürften den Prozess beschleunigen, in dem die Volkswirtschaften anderer Länder lernen, sich von den USA zu lösen und sich stärker aufeinander zu verlassen.
Was auch immer in den USA geschieht: Trumps eigene Untergrabung der amerikanischen Position im internationalen Handels- und Lieferkettensystem und – entgegen seinen Erwartungen – sogar im Investitions- und Finanzwesen wird zugleich der Katalysator für eine Welt der politischen Multipolarität und der unterschiedlichen Wirtschaftszonen, wenn nicht gar Blöcke sein. Und das wiederum könnte eine notwendige Etappe sein, um die westliche Vorherrschaft endgültig zu begraben.
Es handelt sich um langfristige Prozesse nach dem Kalten Krieg, die nicht erst mit Trump begannen. Ihre eigentliche Ursache ist der Niedergang der USA, den er so verzweifelt und plump zu stoppen versucht, und der Aufstieg anderer, nichtwestlicher Mächte. Trumps Zollpolitik wird sich mit Sicherheit negativ auf die Überreste der „Globalisierung“ auswirken, dem wirtschaftlichen Äquivalent der berüchtigten „regelbasierten Ordnung“, die die Karten stets zugunsten westlicher Macht und Profite manipuliert. Doch genau deshalb könnte sie letztlich dem Globus, also der gesamten – oder zumindest der überwiegenden Mehrheit – Menschheit, zugutekommen.
Zitat Ende
Quelle: https://www.rt.com/news/615250-russia-sanctions-unprecedented-relief/
Die russische Analystin Lyuba Lulko drückt es sogar noch deutlicher aus:
Zitat:
Westliche Analysten zeichnen das Bild einer globalen Rezession, wenn sie Trumps am 2. April verhängte Zölle gegen 180 Länder diskutieren. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine brillante Entscheidung der USA, natürlich aus Eigeninteresse.
Deindustrialisierung der USA bedroht ihre Sicherheit
Die Industrie erwirtschaftet nur 18 Prozent des US-BIP. Die Produktion wurde auf der Suche nach niedrigeren Kosten – Löhnen, Arbeitsschutz, Rohstoffen und Steuern – ins Ausland verlagert. So verlagerte Apple beispielsweise seine Fabriken nach China, und nun kehren iPhones mit dem Label „Made in China“ in die USA zurück. Die Amerikaner kaufen sie günstiger, als wenn sie im Inland produziert würden, doch das birgt ernsthafte Risiken für das Land.
Das chronische Handelsdefizit der USA gegenüber anderen Nationen hat zu einer steigenden Staatsverschuldung geführt und bedroht die Stabilität des amerikanischen Finanzsystems und die Position des Dollars. Was wäre, wenn der vieldiskutierte Krieg mit China tatsächlich ausbricht? In diesem Fall könnten Apples Vermögenswerte beschlagnahmt werden, und den USA mangelte es an einer heimischen Produktionsbasis für die Herstellung von waffentauglicher Elektronik. Dies ist nur ein Beispiel – ganze Industriezweige wie Metallurgie, Chemieproduktion und Schiffbau sind bereits ins Ausland abgewandert.
Westliche Analysten prognostizieren einen starken Anstieg der Inflation in den USA. Doch schauen wir uns Russland an: Dort haben Sanktionen und die Verlagerung auf Parallelimporte dazu geführt, dass Apple-Smartphones um 20 % teurer geworden sind. Die Russen haben jedoch nicht aufgehört, sie zu kaufen. Gleichzeitig hat die Importsubstitution an Dynamik gewonnen, die Beschäftigung ist gestiegen und die finanzielle Situation der Menschen hat sich verbessert.
Zitat Ende
Quelle: https://english.pravda.ru/world/161991-usa-trump-tariffs/
Die Russen und die russischen Medien haben den Niedergang der Sowjetunion und den Verlust der sowjetischen Satellitenstaaten miterlebt. Daher können sie die Symptome des Niedergangs und des Untergangs der Vereinigten Staaten und den bevorstehenden Verlust der amerikanischen Satellitenstaaten erkennen. Darüber hinaus erlebten die Russen den Wiederaufstieg Russlands nach der Verhängung von Sanktionen und erkennen mögliche Parallelen in den Selbstsanktionen der Amerikaner. Die Frage ist, ob die Amerikaner der Aufgabe gewachsen sind, die alte Ordnung zu überwinden und eine neue Ordnung erfolgreich zu etablieren. Besitzen sie den Mut, die Stärke, die Intelligenz, den Scharfsinn und die Bereitschaft, die dafür notwendige harte Arbeit zu leisten?
Natürlich ist die Situation in den USA nicht dieselbe wie in Russland. Russland verfügt über mehr Erfahrung mit einer autarken Wirtschaft und mit der Mobilisierung im Kriegsfall. Zudem hatte das Land eine deutlich geringere Staatsverschuldung, was ihm größeren finanziellen Handlungsspielraum verschaffte. Das US-Experiment mit Selbstsanktionen wird den amerikanischen Exzeptionalismus auf die Probe stellen.
Ende der Übersetzung
Beiträge und Artikel anderer Autoren müssen nicht die Sichtweise des Webseiteninhabers widerspiegeln, sondern dienen nur der vergleichenden Information und Anregung zur eigenen Meinungsbildung.